Die Galvanik zählt zu den präzisesten, aber auch sensibelsten Verfahren der Oberflächentechnik. Ob Korrosionsschutz, dekorative Veredelung oder funktionale Beschichtung – die Qualität der abgeschiedenen Schicht hängt maßgeblich von der exakten Zusammensetzung und Stabilität der Prozessbäder ab. Hier kommt die In-Line-Analytik ins Spiel: Sie erlaubt die kontinuierliche Überwachung von Parametern wie pH-Wert, Temperatur, Leitfähigkeit und Ionenkonzentrationen – und bietet damit entscheidende Vorteile gegenüber manuellen Messungen.

Warum In-Line statt Handmessung?

Traditionell erfolgt die Prozesskontrolle in Galvanikanlagen durch stichprobenartige Laboranalysen. Diese Methode ist jedoch zeitverzögert, personalintensiv und anfällig für menschliche Fehler. In-Line-Analytik dagegen basiert auf sensorischer Echtzeitüberwachung, direkt im Prozessbad oder in Bypass-Leitungen. Relevante Messwerte stehen jederzeit zur Verfügung – ohne dass der Prozess unterbrochen werden muss.

Die wichtigsten Vorteile

  • Echtzeitdaten ermöglichen schnelle Reaktion auf Störungen (z. B. Abweichungen im pH-Wert oder bei Metallionen).

  • Reduktion von Ausschuss und Nacharbeit, da Schwankungen sofort erkannt und korrigiert werden können.

  • Längere Standzeiten der Bäder durch optimale Parameterführung.

  • Reduzierter Personalaufwand für Routineanalysen.

  • Dokumentationssicherheit durch kontinuierliches Monitoring im Sinne der Qualitätssicherung und Nachverfolgbarkeit (z. B. gemäß ISO 9001 oder IATF 16949).

Ein Nachteil liegt derzeit noch in der begrenzten Produktionsgeschwindigkeit und -kapazität. Zudem ist die Materialauswahl im Vergleich zu klassischen Thermoplasten eingeschränkt, auch wenn sich hier große Fortschritte abzeichnen – etwa durch Hochleistungskunststoffe wie PEEK oder PA12.

Welche Parameter werden typischerweise überwacht?

  • pH-Wert: Entscheidend für die Abscheidungsqualität und -geschwindigkeit. In-Line-pH-Sensoren arbeiten mit glasfreien ISFET-Technologien oder klassischer Glaselektrode mit automatischer Temperaturkompensation.

  • Temperatur: Einfluss auf Löslichkeit, Reaktionskinetik und Schichtstruktur. Moderne Sensoren bieten ±0,1 °C Genauigkeit mit sofortiger Rückmeldung.

  • Leitfähigkeit: Indirektes Maß für die Salzkonzentration im Bad. Abweichungen weisen frühzeitig auf Verdünnung, Verschleppung oder Dosierfehler hin.

  • Ionenselektive Elektroden (ISE): Zur Bestimmung spezifischer Metallionen wie Cu²⁺, Ni²⁺ oder Zn²⁺ – insbesondere relevant für Mehrkomponentenbäder oder bei automatisierter Nachdosierung.

Integration in bestehende Galvanikanlagen

Ein häufiges Vorurteil: In-Line-Analytik sei nur in neuen, hochautomatisierten Anlagen wirtschaftlich einsetzbar. Doch moderne Systeme lassen sich dank modularer Sensorik und standardisierter Schnittstellen (z. B. 4–20 mA, Modbus, Profinet) einfach nachrüsten. Viele Anbieter ermöglichen Plug-and-Play-Integration in vorhandene Prozesssteuerungen (SPS, SCADA, MES).

Zusätzlich kann die In-Line-Analytik mit Dosiersystemen gekoppelt werden, um vollautomatisch Elektrolyte oder Pufferlösungen nachzuführen. So entsteht ein geschlossener Regelkreis, der eine konstante Prozessqualität gewährleistet – ein echter Gamechanger im Hinblick auf Ressourceneffizienz und Reproduzierbarkeit.

Fazit

Die In-Line-Analytik hebt die Galvanotechnik auf ein neues Niveau: Weg von der reaktiven Fehlerbehebung, hin zur proaktiven Prozesskontrolle. Die kontinuierliche Überwachung zentraler Parameter erhöht nicht nur die Qualität der Beschichtung, sondern reduziert auch Betriebskosten, Materialeinsatz und Stillstandszeiten. Gerade in Zeiten wachsender Anforderungen an Nachhaltigkeit, Dokumentation und Rückverfolgbarkeit ist die In-Line-Analytik ein zentraler Baustein für zukunftsfähige Fertigungskonzepte.

Quellen und Literatur

  1. Vetter, W., & Kanani, N. (2000). Galvanotechnik – Grundlagen und Praxis. Carl Hanser Verlag.
  2. Bundschuh, M., et al. (2021). Process analytical technologies in electroplating – Current developments and future trends. Surface and Coatings Technology, 425, 127672. DOI: 10.1016/j.surfcoat.2021.127672
  3. Meyer, M. (2019). Inline-Messtechnik in der Oberflächentechnik: Anwendungen und Herausforderungen. Galvanotechnik Journal, 110(7), 46–51.
  4. IEC 62828-1:2020. Reference conditions and procedures for measuring the performance of online sensors in process industries.
  5. Lutz, J., et al. (2017). Advanced sensor technologies for inline control in electrochemical surface treatments. Electrochimica Acta, 258, 846–855. DOI: 10.1016/j.electacta.2017.11.03

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