Kratzer im Autolack sind der Albtraum vieler Autobesitzer – besonders im urbanen Alltag, wo Waschanlagen, enge Parklücken oder kleine Äste schnell sichtbare Spuren hinterlassen. Eine innovative Lösung gegen solche Alltagsschäden bieten selbstheilende Lacke. Diese intelligenten Beschichtungen können kleinere Kratzer eigenständig reparieren, ohne dass Nachlackieren notwendig ist. Was sich fast magisch anhört, basiert auf moderner Polymerchemie – und wird bereits von einigen Automobilherstellern erfolgreich eingesetzt.
Wie funktionieren selbstheilende Lacke?
Selbstheilende Autolacke basieren meist auf elastomeren Polymeren, die bei Temperaturerhöhung oder durch UV-Licht ihre ursprüngliche Struktur wiederherstellen können. Im Wesentlichen gibt es zwei Haupttechnologien:
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Thermoplastische Selbstheilung:
Der Lack enthält flexible Polymerketten, die sich bei Erwärmung (z. B. durch Sonneneinstrahlung oder Heißwasser) bewegen und kleine Kratzer „auffüllen“. Die Heilung erfolgt bei Temperaturen ab etwa 30–50 °C und kann je nach Tiefe der Beschädigung einige Minuten bis Stunden dauern. -
Mikrokapsel-Technologie:
In dieser Variante sind im Lack winzige Kapseln mit Harz oder Reaktionsmitteln eingebettet. Wird die Lackoberfläche beschädigt, platzen die Kapseln auf und setzen eine Substanz frei, die den Kratzer füllt und aushärtet.
Beide Technologien ermöglichen eine optische Wiederherstellung kleinerer Oberflächenkratzer – tiefe Lackschäden oder Dellen bleiben allerdings außen vor.
Kosten und Nutzen: Lohnt sich der Aufpreis?
Selbstheilende Lacke sind in der Herstellung und Anwendung bis zu 30–50 % teurer als herkömmliche Klarlacke. Die erhöhten Materialkosten resultieren aus aufwendigeren Rohstoffen und mehrschichtigen Lackaufbauten. Doch aus Sicht vieler Nutzer kann sich der Mehrpreis lohnen – insbesondere bei:
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Premiumfahrzeugen mit hohem Wiederverkaufswert
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Carsharing- oder Leasing-Flotten, bei denen optische Schäden teuer nachberechnet werden
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Lackfarben mit empfindlicher Optik (z. B. Metallicschwarz oder Hochglanzfarben)
Zudem reduziert sich der Pflegeaufwand, da kleinere Kratzer durch Wärmeeinwirkung – etwa durch Sonneneinstrahlung oder Heißwasser – über Nacht verschwinden können.
Welche Hersteller setzen die Technologie bereits ein?
Mehrere Autohersteller nutzen bereits selbstheilende Lacke – vor allem im Premiumsegment:
Lexus (Toyota-Konzern)
Seit dem Modelljahr 2009 setzt Lexus auf den „Self-Restoring Coat“, einen thermoplastischen Klarlack mit Polyrotaxan-Technologie. Modelle wie der Lexus LS oder RX profitieren davon.
Infiniti (Nissan-Konzern)
Infiniti war einer der Vorreiter mit seinem „Scratch Shield“-Lack. Kleinere Kratzer heilen bei Temperaturen über 30 °C innerhalb von ein paar Stunden. Eingesetzt unter anderem beim Infiniti Q50.
Mercedes-Benz
In Kooperation mit BASF und PPG wurde für bestimmte Showfahrzeuge und Sonderlackierungen mit selbstheilenden Klarlacken experimentiert. Serienreife Lösungen sind derzeit in Entwicklung.
Genesis (Hyundai)
Die Luxusmarke Genesis integriert seit Kurzem selbstheilende Lacke bei Modellen wie dem GV70 – insbesondere für den südkoreanischen Heimatmarkt.
Aftermarket-Produkte
Auch im Zubehörmarkt bieten Hersteller wie Ceramic Pro, XPEL oder Gyeon selbstheilende Folien oder Keramikversiegelungen mit temperaturaktiven Eigenschaften an. Diese gelten allerdings als ergänzende Schutzschicht, nicht als Lackersatz.
Fazit
Selbstheilende Lacke sind keine Science-Fiction mehr, sondern reale Technik mit wachsender Verbreitung. Auch wenn sie noch einen gewissen Preisaufschlag mit sich bringen, bieten sie klaren Mehrwert in puncto Werterhalt, Pflegeleichtigkeit und optischer Perfektion. Insbesondere für hochwertige Fahrzeuge oder Flottenlösungen stellen sie eine lohnende Investition dar – und dürften in den kommenden Jahren auch in der Mittelklasse Einzug halten.
Quellen und Literatur
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Wu, D. Y., Meure, S., & Solomon, D. (2008). Self-healing polymeric materials: A review of recent developments. Progress in Polymer Science, 33(5), 479–522. DOI: 10.1016/j.progpolymsci.2008.02.001
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White, S. R., et al. (2001). Autonomic healing of polymer composites. Nature, 409(6822), 794–797. DOI: 10.1038/35057232
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Toyota Motor Corporation. (2009). Lexus introduces self-restoring coat. Technische Pressemitteilung.
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Nissan Global. (2010). Scratch Shield Paint – Infiniti’s self-healing car paint explained.
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BASF Coatings GmbH (2021). Innovative Klarlacktechnologien für die Automobilindustrie. White Paper.

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